Historische Arbeiten
W. Griem, 2020Inhalt der Seite:
Abbildung
Bild infos
Erläuterungen
Text
- - -
Seite +
Inhalt
mehr geovirtual
Neumayr, Uhlig (1897)
Geologie
Inhalt:
● Bergstürze
und Erdrutschungen
● Brentagruppe
● Ursache Bergsturz von
Elm
● Bergsturz vom
Arlberg
● Abschätzung der Masse
● Erkennung des Vorganges
● Ursachen
der Bewegungen
Foto/Scan - Digital Bearbeitet: (W.Griem, 2007,
2019);
von: M.Neumayr / V.Uhlig (1897)
"Abb.229: Bergsturz von Elm, 11. September 1881. (Nach Heim) ."; Seite
465; Abb. 229 en OCR Version; Original Größe der Abbildung:
13 cm x
8
cm.
Titel: Bergsturz von Elm, 11. September 1881. (Nach Heim) .
Neumayr, M. Uhlig, V. (1897): Erdgeschichte. -
Band 1: 692
Seiten, 378
Abbildungen; Band 2: 700 Seiten, 495 Abbildungen, Verlag Bibliographisches Institut,
Leipzig und Wien.
[Sammlung W. Griem]
Albert Heim (1849 - 1937),
Schweizer Geologe, Initiator der Kontraktionstheorie. Führte die
Tektonik generell auf eine Kontraktion der Erde durch Ihre Abkühlung
zurück. Heim war Professor für Geologie an der ETH, arbeitete an vielen
wissenschaftlich Projekten, aber auch als Konsultor bei
Ingenieurs-Geologischen Fragestellungen wie dem Tunnelbau z.B.
Generell sah er in Horizontalkräften in der Tektonik keine wichtigen
Diskussionspunkte. Die Vertikalen Komponenten waren seiner Meinung viel
wichtiger.
Der Bergsturz von Elm:
"von 1000 Menschen wurden 115 verschüttet und erschlagen, 83
Gebäude zerstört, der Schieferbruch, eine Haupteinnahmequelle der
Einwohner, und die fruchtbarsten Talstrecken für immer verwüstet."
"Erscheinung dieser Art aus vorhistorischer Zeit bilden nach Heim die Reste des Sturzes von Flims in Graubünden" - ist noch heute einer der größten ermittelten Bergstürze. Er wird heute aus etwas unter 10.000 Jahren datiert. Die Bewegte Masse soll etwa 12 km3 betragen. Noch heute hat der Rhein nicht sein ursprüngliches Bett erreicht.
Die Abbildungen wurden mit einem HP
Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo
Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der
Graustufenverbesserung, Elimination von Flecken sowie Verbesserung der
Schärfe wurden bei der Bildbearbeitung angewandt (W. Griem 2020).
Die Texte wurden mit einer Pentax
Kr-3 II digitalisiert und später mit ABBYY (v.14) verarbeitet und zur
OCR vorbereitet. Frakturschriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in
ASCII umgewandelt; "normale" Schriftarten mit ABBYY Fine Reader Version
14.
Die Texte wurden den heutigen Rechtschreibregeln teilweise angepasst, es
wurden erläuternde und orientierende Zeilen eingefügt (W.Griem, 2020).
Ein ausführliches Kapitel über die Hangrutsche und Bergstürze der letzteren Zeit. Gerade um 1880 wurden die Alpen stärker besiedelt und erschlossen, die Bergstürze waren eine dauerhafte Bedrohung. Bilder von Heim und Credner
Original Text von
Neumayr und Uhlig, 1897:
p.461 in der Original Version; p.
487 in der digitalen OCR Fassung
Bergstürze und Massenbewegungen.
Bergstürze und Erdrutschungen.
Nicht immer beschränkt sich die Bewegung des Gesteinsmaterials auf
einzelne Blöcke; bisweilen nehmen die Erscheinungen großartige
Dimensionen an, und es ereignen sich verheerende Katastrophen, die die
Bewohner der Gebirgstäler schwer heimsuchen. Die furchtbarsten Wirkungen
üben die Bergstürze, bei denen sich riesige Felsmassen auf einmal
loslösen und Herabstürzen, Wenn man von Bergstürzen spricht, so darf man
in den meisten Fällen nicht glauben, daß das Wort in seinem vollsten
Sinne angewendet werde, daß wirklich ein ganzer Berg eingestürzt sei. Es
sind an sich, nach menschlichem Maßstab, enorme Felsbrüche, aber im
Verhältnis zur ganzen Masse des Berges sind sie doch nur sehr
geringfügig; es werden nur kleine Ausschaltungen der Gehänge erzeugt,
und sobald sich die Bruchfläche mit Vegetation bekleidet hat, ist der
Verlust selbst für den genauen Kenner der Gegend fast ohne merklichen
Einfluß auf die Physiognomie des Berges, Der Bergsturz, der im Jahre
1881 Elm im Kanton Glarus so fürchterlich heimsuchte, hat 10 Millionen
Kubikmeter Gestein ins Tal geworfen; aber der Tschingelberg, von dem es
losbrach, ist kaum merklich geändert. „Die Wunde am Tschingelberg ist
mehr durch ihre kahlgraue Farbe als durch die Form sichtbar; wieder
bewaldet, würde selbst ein Kenner der Gegend aus einiger Entfernung den
Abbruch nicht leicht beachten." (Heim.)
Brentagruppe:
Daß in sehr seltenen Fällen auch ein ganzer Berg zusammenbrechen kann,
beweist ein merkwürdiger Fall in der Brentagruppe im südwestlichen
Tirol, der sich im Mai 1882 ereignet hat.
Über diese Katastrophe, von der fast zwei Jahre hindurch keine Nachricht
in die Außenwelt gedrungen ist, berichtet E. Richter folgendermaßen:
„Das herrliche Gebiet der Brentagruppe besteht vielfach aus
prismatischen Felskörpern, die sowohl isoliert als auch
orgelpfeifenartig aneinander gereiht Vorkommen, so daß sie im
allgemeinen an die bekannten Formen der drei Zinnen bei Schluderbach in
Tirol (s. die Tafel bei S. 12) erinnern. Ein solcher Felskörper verlor
nun seinen Halt und stürzte in das Tal, das von der Alpe Brenta Alta
nach der Bocca di Brenta hinaufführt. Alle diese Felszähne sind quer auf
ihre Höhendimensionen geschichtet, und es scheint nun, daß der
betreffende Felskörper, welchen die Schichtung nicht horizontal, sondern
schief durchsetzte, von einer Schichtfläche abgeglitten ist, als das
eingesickerte und gefrorene Wasser ihn von seiner Verbindung losgelöst
hatte.
„Die Höhe des abgestürzten Körpers beträgt jedenfalls mehrere
Hundert Meter, ob 400 oder mehr, wage ich nicht zu entscheiden, der
Durchmesser etwa den vierten Teil der Höhe. Diese Masse ist nun zunächst
eine Wandhöhe von etwa 200 m herabgefallen, dann auf eine vorspringende
Bastion aufgeschlagen und hat sich von hier aus nach allen Richtungen in
das Tal ergossen,, Das Auffallende und Merkwürdige an der Sache ist die
Wahrnehmung, daß dieser harte weiße Kalk nach seinem hohen Sturze nicht
wie ein fester Körper am Orte seines Falles liegen blieb, sondern wie
eine Flüssigkeit, die hoch herab ausgegossen wird, nach allen Seiten
unglaublich weit auseinander gestoben ist. Beweis dafür ist die eine
Tatsache, daß man mehr als 1 ½ Stunde über die Trümmer zu klettern hat,
wenn man zur Bocca di Brenta hinaufsteigt. Dabei konnte natürlich die
Schicht, in welcher das Trümmerwerk den Boden bedeckt, nicht sehr
mächtig werden; ich schätze dieselbe in den äußeren Partien des
überdeckten Umkreises nur auf wenige Meter.
Es müßte ein überwältigender Anblick gewesen sein, diese Kaskade von
weißem, kieselhartem Kalk zu sehen, welche sich unter, betäubendem
Geräusch scheinbar flüssig wie Wasser über die Felswände herab ergoß,
umschwärmt von einem Hagel scharfkantiger Geschosse, die nach allen
Seiten davonsprühten. Doch gönnte die Natur keinem Sterblichen diesen
Anblick; eine regnerische Nacht verhüllte das Schauspiel, nur die
Bewohner von Santa Maria di Campiglio hörten das entsetzliche Getöse und
glaubten, die Welt gehe unter."
Die Veranlassung zum Eintritt eines Bergsturzes kann sehr verschiedener
Art sein, die Ursache besteht immer darin, daß eine große Felsmasse, die
schon vorher auf dem Punkte war, wo die natürlichen
Böschungsverhältnisse eben noch den nötigen Halt boten, auf irgend eine
Weise dieser Unterstützung beraubt wird und nun hinabstürzt, Wohl der
einfachste Fall ist der, daß steil aufgerichtete Schichten gegen ein Tal
einfallen. Befindet sich nun unter diesen eine leichter zerstörbare
Lage, z. B, eine mergelige oder tonige Bank zwischen festen Kalken, und
wird diese durch unterirdisch zirkulierende Wasser ausgewaschen, so
verlieren die darüberliegenden Kalke ihren Halt und gleiten endlich auf
der unterwaschenen Schichtfläche in die Tiefe. Auf diese Weise, durch
Abgleiten der „grauen Liaskalke" auf einer geneigten Schichtfläche, ist
vor Jahrhunderten der große Bergsturz entstanden, der bei Roveredo in
Südtirol vom Monte Zuna ins Etschtal hinabgegangen ist und über die
ganze Breite des Tales reichte, so daß die Etsch gestaut wurde. Nach
einer Fuldaschen Chronik hat dies furchtbare Ereignis im Jahre 883,
unter dem Karolinger Karl dem Dicken, stattgefunden, Dante berichtet in
der „Göttlichen Komödie" über die „Lavini di San Marco", unter deren
Trümmern die Stadt Lagaris begraben liegen soll:
„Dem Bergsturz gleich bei Trento — in den Schoß
Der Etsch ist seitwärts Trümmerschutt geschleudert
Durch Unterwühlung oder Erdenstosz —
Wo von dem Gipfel, dem er sich entrissen,
Der Fels so schräg ist, das; zum ebnen Land,
Die oben sind, den Steg nicht ganz vermissen."
Noch ungleich gewaltiger war der Sturz, der, durch das Erdbeben vom 25.
Januar 1348 veranlaßt, vom Dobratsch in Kärnten niederging und 19 Dörfer
verschüttete (vgl. S. 308).
Unter den zahlreichen Bergstürzen aus neuerer Zeit war namentlich die
Katastrophe von furchtbarer Wirkung, die sich am 2. September 1806 zu
Goldau in der Schweiz ereignete. Große Massen tertiärer Nagelfluh
gerieten auf einer ausgewaschenen Mergelbank ins Gleiten, 15 Millionen
Kubikmeter Gestein kamen ins Tal; 457 Menschen gingen zu Grunde, 111
Wohnhäuser, 2 Kirchen, 220 Scheunen und Ställe wurden verschüttet. Ein
Augenzeuge, Zaym, schildert das Ereignis folgendermaßen:
„Das unterhalb gelegene Berggehänge fing an, sachte Hinzugleiten.
Mit einem mal stürzt zu oberst an der größten Felswand ein mächtiges
Stück nieder, die Felswände sangen langsam an, von ihrer Mutterschicht
sich loszutrennen und gegen die Tiefe hinabzusinken. Das Erdreich am
Bergabhang fängt nun auch an, sich voneinander zu schieben und statt der
grünen Rasendecke die bräunlich-schwarze Farbe nach außen zu kehren. Die
unteren Wälder bewegen sich allgemach, und Tannenbäume in unzähliger
Menge schwanken hin und her. Ganze Scharen von Vögeln lüften schnell
ihre Flügel und richten unter Geschrei ihren Flug dem Rigi zu. Einzelne
größere Steine rollen schon den Berg hinab, zerschmettern Häuser, Ställe
und Bäume, und mehrere stürzen in verschnellertem Laufe als Vorboten der
bald nacheilenden Masse in die Tiefe des Tales.
Nun wird mit einem mal die Bewegung der Wälder stärker; ganze Reihen
der vorher losgewordenen und sich senkenden Felsstücke, ganze Reihen
stolzer Tannen, auf der obersten Felskante sonst so prachtvoll ruhend,
stürzen in Unordnung übereinander und in die Tiefe nieder. Alles
Losgerissene, Wald und Erde, Stein und Felswände, gerät jetzt ins
Gleiten, dann in schnelleren Lauf und nun in blitzschnelles Hinstürzen.
Getöse, Gekrach und Prasseln erfüllt wie tief brüllender Donner die
Luft, erschüttert das Ohr und tönt im Widerhall von tausend Bergklüften
noch gräßlicher. Ganze Strecken losgerissenen Erdreiches, Felsstücke so
groß und noch größer als Häuser, ganze Reihen von Tannen werden aufrecht
stehend durch die Luft geschleudert. Die Schichtfetzen fliegen durch die
Luft, man sieht unter ihnen durch die Landschaft im Hintergründe. Ein
rötlichbrauner Staub erhebt sich in Nebelgestalt von der Erde, hüllt die
zerstörende Lawine in trübes Dunkel ein und läuft als düstere Wolke, wie
vom Sturmwind gepeischt, vor ihr hin. Berg und Tal sind erschüttert, die
Erde bebt, Felsen zittern, Menschen erstarren beim Anblick dieser
fürchterlichen Szenen. Vögel, im Fluge gehindert, fallen auf die Stätte
der Verheerung nieder, Häuser, Menschen und Vieh werden schneller als
eine aus einer Kanone losgeschossene Kugel über die Erde hin und selbst
durch die Luft fortgetrieben. Die aus ihrer Ruhe aufgeschreckte Flut des
Lowerzer Sees bäumt sich auf und fängt im Sturmlauf auch ihre Verheerung
an. Ein großer Teil der zerstörenden Masse erstürmt, im Tale angekommen,
noch den jenseitigen steilen Fuß des Rigiberges, und einzelne Bäume und
Felsstücke fliegen hoch am Abhang hinauf. Während der wenigen
Augenblicke, in welchen der Leser diese Schilderung liest, in der Frist
von 3—4 Minuten, hat das Ereignis begonnen und seinen Lauf vollendet."
Häufig findet der Abbruch nicht längs einer geneigten Schichtfläche
statt, sondern an beliebigen Klüften, die im Gestein verlaufen;
Unterwaschung durch einen Fluß, vermehrte unterirdische Zirkulation des
Wassers infolge von Entwaldung können den Anlaß bieten. Den letzten
Anstoß zum Eintritt des Ereignisses gibt häufig ein heftiger, mehrere
Tage anhaltender Regenfall, wie ja in den Alpen die meisten Bergstürze
im April niedergehen, zur Zeit der Schneeschmelze, oder im September,
nach den heftigen Sommerregen.
Ursache des Bergsturzes von Elm:
Klar liegen die Ursachen bei der letzten großen Katastrophe, die in den
Alpen vorgekommen ist, bei dem Bergsturz von Elm im Sernstal bei Glarus
in der Schweiz. Wir verdanken Heim eine sehr eingehende Untersuchung
dieses Falles, der wir das Folgende entnehmen: Über dem Orte Elm erhebt
sich mit steilen Gehängen der Tschingelberg, der aus stark
aufgerichteten und gewundenen Schichten eines der älteren Tertiärzeit
angehörigen Tonschiefers besteht und infolge seiner starken Neigung, des
verhältnismäßig geringen Haltes und der starken Störung der Schiefer an
sich schon Anlage zu drohenden Abbrüchen zeigte. Schon aus früherer Zeit
wird von einzelnen kleineren Ereignissen dieser Art berichtet. Zum
Unglück des Ortes bemerkte man, daß die Schiefer des Tschingelberges ein
wertvolles, namentlich zu Schreibtafeln ausgezeichnet geeignetes
Material darstellen; man fing an, sie auszubeuten, bald vergrößerte sich
der Betrieb, es entstand ein bedeutender Steinbruch, der namentlich an
Nürnberger Fabriken das Material zu Millionen von Schreibtafeln
lieferte. Aber diese Ausbeutung wurde ohne Rücksicht auf die möglichen
Folgen, ohne gehörige technische Leitung, planlos ausgeführt und das
gefährliche Gehänge unterwühlt; zudem wurde sehr viel und stark mit
Pulver und Dynamit gesprengt und durch die fortwährende Erschütterung
bei den Explosionen das innere Gefüge des Gesteins gelockert. Im Jahre
1879 war das Gehänge durch den Steinbruch auf eine Länge von 180 m
unterwühlt, und die Folgen solcher Arbeiten machten sich rasch geltend;
kleine Abbruchs und Spaltenbildungen traten unten auf, allmählich aber
zeigten sich auch hoch oben am Gehänge unheilverkündende Riffe, kleinere
Stürze erfolgten, und Jäger und Wildheuer berichteten, daß man die
Erschütterung bei Sprengungen unten hoch oben am Berge fühle. Es bildete
sich in der Höhe eine große Hauptspalte, „der große Chlagg", der ein
mächtiges Stück aus dem Gehänge herauszuschneiden schien; Ende August
1881 war die Kluft 2—3 m breit, und der darunterliegende Boden hatte
sich um 4—5 m gesenkt. Der Boden im Walde blähte sich an manchen
Stellen, Steinstürze mehrten sich, der Steinbruch wurde Anfang September
verlassen, aber einen größeren Einsturz erwartete man erst im Frühjahr
zur Zeit der Schneeschmelze.
So kam der 11. September, der Vormittag brachte einige Abstürze, aber
gegen Abend trat die Katastrophe ein, über die der Lehrer Wyß berichtet:
„Von Nachmittag 4 Uhr an stand ich am offenen Fenster, die Uhr in der
Hand, und beobachtete möglichst scharf die Bewegungen des Berges. Immer
schälten sich bald oben, bald mitten oder unten kleinere Portionen ab,
die obersten Tannenreihen des Waldes begannen sich rückwärts in die
Felsspalten zu senken.
„Der erste größere Sturz erfolgte genau 5 Uhr 15 Minuten; die Felsmassen
schossen blitzschnell zu Tal, sie bedeckten das Schieferbergwerk, die
mit Schiefer und Werkzeugen angefüllten Warenlager der Gemeinde, das
Grundstück Allmeindli samt der Wirtschaft zum Martinsloch aus welcher
die Bewohner zwei Tage vorher geflohen waren. Auch die Rinnen des Tschingel- und Raminbaches wurden ausgefüllt. Die Bewohner des
Untertales (einer vom Hauptdorf etwas abseits liegenden, besonders stark
bedrohten Ortschaft) flohen gegen die Anhöhen zu den Stätten der
Liegenschaften Alpegli und Jägliweid unterhalb Düniberg, wo sie sich
sicher wähnten. Aus dem Dorfe eilten einige Männer nach dem Untertal, um
retten zu helfen. Der zweite, noch größere Sturz erfolgte 17 Minuten
später (5 Uhr 32 Minuten) und fegte mit rasender Schnelligkeit über die
frühere Schuttmasse ins Untertal, verschüttete mehrere schöne Güter und
das Haus des Murrwirtes Jakob Disch. Noch 4 Minuten, und es erfolgte der
Hauptsturz. Die gewaltige Masse, unten ausgleitend, krachte hoch durch
die Luft daher. Der Erdboden zitterte; ich eilte schleunigst aus dem
Hause über die Landstraße. Kaum hatte ich 20 Schritt getan, so krachten
hinter mir die Häuser im Müsli zusammen. Nach meiner Schätzung, in
Übereinstimmung mit anderen zuverlässigen Zuschauern, hatte die
Schuttmasse in 2, höchstens 3 Minuten [*1] das untere Ende, wo sie jetzt
liegt, erreicht. Eine grausige, schiefergraue Staubwolke lagerte über
der gräßlichen Unglücksstätte."
Die Felsmassen, die herabkamen, werden auf 10 Millionen Kubikmeter
geschätzt; beim Hauptsturz flogen sie einem Wasserfall vergleichbar
herab, fielen beim Steinbruch auf und wurden nun von den nachdrängenden
Massen blitzschnell horizontal über den Talboden weggeschoben, sie
brandeten an dem Gehänge des Düniberges hinan und schossen dann, durch
diesen abgelenkt, talabwärts, den Ackerboden aufschürfend und Häuser vor
sich herschiebend und zermalmend. Der Weg im Tale, der auf diese Weise
zurückgelegt wurde, beträgt 1400 m. Die dabei erzeugte Luftströmung war
so stark, daß sie Menschen in die Höhe wirbelte und in einiger
Entfernung niedersetzte, und manche der Bewohner verdanken ihre Rettung
solch unheimlicher Luftfahrt. Der durch diesen Bergsturz angerichtete
Schade wurde vom Pfarrer Buß in Glarus in ergreifender Weise
geschildert; von 1000 Menschen wurden 115 verschüttet und erschlagen, 83
Gebäude zerstört, der Schieferbruch, eine Haupteinnahmequelle der
Einwohner, und die fruchtbarsten Talstrecken für immer verwüstet (s.
obenstehende Abbildung, 229).
Bergsturz vom Arlberg:
Weniger durch die Masse des bewegten Materials als durch die
eigentümliche Veranlassung dazu verdient der am 9. Juli 1892 erfolgte
Bergsturz von Langen an der Westseite des Arlberges Beachtung. Auf der
Nordseite des ungefähr 1080 m hoch gelegenen Klosterthales erhebt sich
der steile Kamm der Blisadonna, von dem in 2100 m Höhe eine ungefähr 20
m mächtige Partie los- und durch den Großen Tobel in das Tal
niederging. Dis Reichsstraße und der Damm der Arlbergbahn wurden 300 m
weit 3,3 m hoch überschüttet. Die Sturzhöhe betrug über 1000 m, weshalb
sich die Bewegung mit so außerordentlicher Vehemenz vollzog, daß die
Sturzbahn vertieft und förmlich ausgefegt wurde. Die aus Kalkstein und
Rauchwacke bestehenden Schichttafeln am Kamme der Blisadonna zeigen eine
Neigung von 85° gegen Süden, nach dem Tale zu; sie stehen somit fast
senkrecht, und die Erosion findet in den zahlreichen Schichtfugen ebenso
viele Angriffsflächen, den Zusammenhang der frei aufragenden Tafeln zu
lockern. Durch eine besonders tiefe, nach einer Schichtfläche
verlaufende Kluft, die schon im Jahre 1891 vorhanden war, wurde die
äußere Partie des Felsabhanges vom eigentlichen Körper des Berges
gelöst, und da sie auch nach dem Tale zu keine seitliche Unterstützung
hatte, mußte sie durch die Wirkung der Schwere talwärts gezogen werden;
die Schichttafeln wurden abgeknickt und brachen an scharfkantigen
Schichtköpfen quer ab.
In anderen, wenn auch selteneren Fällen bieten Erdbeben den Anstoß, wie
wir das z. B. bei den furchtbaren Erschütterungen sahen, die im Jahre
1870 in der Umgebung von Delphi stattgefunden haben, und wie es am Dobratsch der Fall war. Eins der gewaltigsten Ereignisse dieser Art, das
sich in Armenien am Fuße des Großen Ararat zugetragen hat, und wobei das
Dorf Anguri vollständig vernichtet wurde, hat Abich geschildert. Von
Anguri aus führt eine enge, tiefe Schlucht, ein „Baranco", zu einem
mächtigen, in den Körper des Ararat einschneidenden, gletschererfüllten
Felszirkus. Durch ein sehr heftiges Erdbeben löste sich ein riesiger
Bergsturz von den Gehängen der Schlucht los, so daß diese bis zu einer
gewissen Höhe vollständig abgesperrt und der Gletscherbach mächtig
gestaut wurde. Gleichzeitig stürzten aus den höheren Regionen gewaltige
Massen von Eis, Firn und Felstrümmern nieder und wälzten sich in den
durch Aufstauung des Baches entstandenen See. 72 Stunden lang vermochte
der durch den Bergsturz gebildete Talriegel dem Drucke dieser breiigen
Massen zu widerstehen, dann wurde er durchbrochen, und ein furchtbarer
Strom von Wasser, Eis, Schlamm, Schutt und riesigen Felsblöcken raste im
Tale bergab, begrub Anguri samt seinen Einwohnern und führte ungeheure
Felsblöcke auf die Entfernung von einer geographischen Meile mit sich
fort. Der größte Block hatte einen Umfang von 90 m.
Abschätzung der Bewegten Masse:
Für einige Bergstürze war man imstande, die Gesamtmasse des
herabgelangten Materials zu schätzen. Für den Bergsturz von Elm gibt
Heim, wie schon erwähnt, 10 Millionen Kubikmeter an, für den von
Goldau
15 Millionen; für den Sturz der Diablerets im Wallis wurde die Zahl von
50 Millionen Kubikmeter berechnet, und noch bedeutend größere Zahlen
mußten für den Sturz des Dobratsch angenommen werden. Weitaus die
gewaltigste Erscheinung dieser Art aus vorhistorischer Zeit bilden nach
Heim die Reste des Sturzes von Flims in Graubünden: „Sein Schutt
erstreckt sich als zusammenhängender, wohl 600 m hoher Berg von den
Maiensassen ob Flims bis jenseits des Rheins hinter Versam und Bonaduz
und von der Nähe von Ilanz bis Reichenau; auf seiner Oberfläche befinden
sich acht kleine Seen. Der Rhein und seine Zuflüsse haben sich in
Gestalt wilder Schluchten in den gewaltigen, tal-absperrenden Hügel
eingesägt, während oberhalb Ilanz noch heute in Kiesterrassen die Spuren
eines alten Sees nachweisbar sind, der durch den Flimser Sturz gestaut
wurde." Die abgestürzte Gesteinsmasse wird von Heim auf 15
Kubikkilometer oder 15 Milliarden Kubikmeter geschätzt, also 1500 mal so
viel Material, als der Bergsturz von Elm, oder 1000 mal so viel als der
von Goldau (1806) geliefert hat. Die mächtigsten vulkanischen Ausbrüche,
wie der des Krakatau vom Jahre 1883, der 18 Kubikkilometer ausgestreut
hat, der des Temboro (1815), der des Conseguina und der Lavaerguß der
Skaptar-Spalte auf Island, zeigen sich unzweifelhaft überlegen, aber
sonst dürften sich wenige der näher bekannten Eruptionen in der Größe
der bewegten Massen mit dem Bergsturz von Flims messen können.
In großer Zahl werden aus den verschiedenen Gebirgen Bergstürze
aufgezählt, die in den letzten Jahrhunderten, Leben und Eigentum der
Einwohner vernichtend, herabgekommen sind; aber natürlich gewährt diese
traurige Liste nur eine sehr dürftige Vorstellung von der Menge solcher
Ereignisse, die sich wirklich vollzogen haben. Es ist sehr zweifelhaft,
ob heute, wo doch überall geologische Aufnahmen gemacht werden, wo die
Freude an der großartigen Natur und der Bergsport jährlich Tausende von
Fremden in die Alpen führen, jeder Bergsturz bekannt wird, der sich in
einem abgelegenen, nicht bewohnten und nur selten betretenen Tale
ereignet. Ganz sicher aber ist es, daß uns aus früheren Jahrhunderten
nur von den allerauffallendsten und gewaltigsten Erscheinungen das
Andenken aufbewahrt worden ist, und auch dies nur aus Gegenden, die sich
einer höheren Kultur erfreuen.
Erkennung des Vorganges:
Wir haben oben bei der Schilderung des Bergsturzes von Elm gesehen, wie
sich der Bruch allmählich vorbereitete, wie das Absitzen des Terrains,
die Bildung der Spalten, die kleineren Abrutschungen vorangingen, und
daß man den Eintritt größeren Schadens voraussah. In derselben Weise
kündigen sich alle derartigen großen Stürze vorher an, und es ist von
großem Wert, die Symptome genau festzustellen, wenn auch die Erfahrung
zeigt, daß keine noch so eindringliche Warnung die Sorglosigkeit und das
Beharrungsvermögen der Bergbewohner, ihre Anhänglichkeit an die Scholle
zu überwinden vermag. Heim hat die dem Sturze vorangehenden
Erscheinungen genau untersucht und ist zu folgendem Ergebnis gelangt:
„Die Erfahrung hat gelehrt, daß Vorzeichen eines Bergsturzes niemals
fehlen und sich namentlich bei großen Bergstützen in auffallender Weise
zeigen, indem der Abbruch sich langsam oft während Jahrzehnten
vorbereitet. Kein Bergstutz tritt plötzlich ein. Es ist ferner von
Bedeutung, die Vorzeichen kleinerer, unbedeutender Gesteinsablösungen
von denen größerer Bergstütze und diejenigen der Schuttbewegungen von
denjenigen der Felsbewegungen zu unterscheiden. Handelt es sich um
Schuttbewegungen, so beobachtet man meistens zahlreiche weniger lange
Spalten, welche sich in Reihen anordnen; handelt es sich um eine große,
gefährliche Felsabtrennung, so ist der obere Abriß gewöhnlich durch eine
zusammenhängende Hauptspalte gebildet. Am oberen Rande des
Tschingelberges bei Elm z. B. hat eine solche im Sommer 1879 begonnen
und bis August 1881: 400 m Länge erreicht, wobei sich der äußere Teil um
mehrere Meter nach unten und vorn gesenkt hatte, was eine
Massenabtrennung gefährlichster Art andeutete. Ganz ähnliche Berichte
haben wir von Goldau und Plurs [heute: Piuro]. Je länger bei
fortgesetzter Bewegung der Sturz ausbleibt, desto größer wird er sein.
Naht der Abbruch, so erweitern sich die Spalten stetig, und einzelne
kleinere, vorgestoßene Steinstücke lösen sich zuerst oben und an den
Seiten ab. Dieses Steingeriesel nimmt im Verlaufe von Stunden oder Tagen
zu, größere Trümmer poltern immer weiter hinab, und sieht man endlich
Steinstücke im unteren Teile des Abrißgebietes Herausbrechen, was auf
ein Weichen des Fußes hindeutet, dann ist der Abbruch ganz nahe. Bei
ganz großen Bergstürzen hat man stets ein vorangehendes Knistern,
Krachen oder Knirschen, oft sogar ein Knallen im Inneren des Berges
selbst bis auf mehrere Kilometer Entfernung auch dann vernommen, wenn
keine Steinstütze Geräusch verursachten. Dasselbe rührt offenbar von der
inneren Bewegung der abreißenden Massen her. In Plurs, in Goldau, an den
Diablerets, in Elm begannen diese Erscheinungen wenigstens 6—10 Stunden,
am Vorderglärnisch 21 Stunden vor dem Sturze. Im Schieferbruch von Elm
hatte man sie in stiller Nacht schon seit langer Zeit vernommen. Eine
Menge anderer Vorzeichen, wie z. B. Ausspritzen von Steinen am Fuße des
Berges von Goldau, sobald der Boden mit einem Werkzeug verletzt wurde,
in anderen Fällen plötzliches Trüben oder Versiegen von Quellen etc.,
sind weniger allgemeiner Natur. Sehr oft zeigen sich die Tiere
empfindlicher für die Vorzeichen als die Menschen. Am Monte Conto bei
Plurs verließen die Bienen schon zwei Tage vorher in Schwärmen ihre
Stöcke, die Kühe auf der Weide wurden sehr unruhig und flohen zum Teil.
In Elm sind die Menschen nicht geflohen, aber Vögel, Katzen und eine Kuh
haben sich durch rechtzeitige Flucht gerettet.
Wir können mit aller Bestimmtheit sagen, daß in Plurs, an den Diablerets,
in Goldau, in Elm und nach bei vielen anderen großen Bergstürzen kein
einziger Mensch sein Leben verloren hätte, wenn diese Vorboten richtig
gewürdigt worden wären, anstatt daß man da und dort die Ängstlichen
durch Verlachen zum Schweigen gebracht hat. Es ist für uns vielfach
sogar unbegreiflich, daß die Menschen dem zunehmenden Gepolter zusahen,
ohne zu fliehen. Der Sturz am Vorderglärnisch, dessen Vorboten
allerdings für die Talbewohner leicht sichtbar und hörbar waren, ist der
einzige mir bekannt gewordene, bei welchem man rechtzeitig flüchtete.
Nicht etwa, daß man die Vorboten in den anderen Fällen übersehen hätte,
bei den meisten der genannten Beispiele war man überzeugt, daß der Berg
einmal kommen werde', sie kannten und bemerkten die Vorboten, ohne ihnen
zu glauben und sie zu würdigen.
Für die außerhalb des Gebirges aufgewachsenen, leichter erregbaren
Menschen ist die Ahnungslosigkeit, welche meistens die Bergbewohner
zeigen, geradezu unbegreiflich. Allein man gewöhnt sich leicht au die
Gefahr und stumpft sich dagegen ab. Ein gewisses Quantum von
Sorglosigkeit ist dem Gebirgsbewohner notwendig, aber zu viel ist
schlimm. Als an sicherer Stelle Neufelsberg gebaut worden und die
Bewohner den bedrohten Ort verlassen und dort einziehen mußten, kehrten
sie trotz der Gefahr sehr bald in das liebe alte Nest zurück. Die Elmer
kennen genau die Gefahr, in welcher der noch erhaltene Teil des Ortes
steht; aber zwischen dieser Erkenntnis und dem Ausziehen besteht für sie
kein Zusammenhang, das erstere ist Verstandessache, das letztere
Gemütssache. Lieber unter Gefahr auf eigenem Boden, im eigenen Hause
wohnen, als fremd und von der Heimat ausgestoßen sichere Unterkunft
suchen."
Arten, Gesteine und Ursachen der Massenbewegungen:
Viel leichter als feste Felspartien kommen natürlich lose Schutt- und
Geröllmassen in Bewegung; aber der Natur der Sache nach treten hier
nicht so plötzlich riesige Massenstürze ein, in der Regel findet ein
allmähliches Gleiten statt, das allerdings oft in unaufhaltsamem
Fortschreiten Gebäude zum Einsturz bringt, Felder, Wiesen, Wälder
verwüstet, aber doch infolge des langsamen Tempos nur selten
Menschenleben gefährdet. Besonders lästig werden solche sich
verschiebende Schuttmassen für die Eisenbahnen, namentlich im Gebirge,
und es ist bekannt, mit welchen Schwierigkeiten die meisten Alpenbahnen
in dieser Beziehung zu kämpfen haben. Die losen Massen, durch
Einschnitte oder Tunnelanlagen in ihrer Gleichgewichtslage gestört,
geraten in gleitende Bewegung, der Bahnkörper wird verschoben,
Tunnels
zerquetscht, und es bedarf oft langer Zeit und kostspieliger Arbeiten,
ehe das Terrain zur Ruhe kommt. Wo Abrutschungen loser Massen
stattfinden, geben sie sich in der Regel zuerst dadurch zu erkennen, daß
sich in dem oberen Teil des Rutschgebietes Spalten bilden, häufig in
einem nach oben konvexen Bogen, während am Fuße, im unteren Teil, der
Boden wulstig aufgeschoben wird. Je nach der Stärke des Schubes gerät
die gleitende Masse mehr oder weniger in Unordnung und in wälzende
Bewegung, oder einzelne Teile rutschen an den Spalten, meist in
keilförmigen Schollen, treppenartig ab.
Abgesehen von der mechanischen Verletzung der Gehänge durch Abgrabung
oder Unterwaschung durch fließendes Wasser, ist die häufigste Ursache
solcher „Erdschlipfe" in Quellen zu suchen, die von obenher in das lose
Terrain versickern, durch ihre fortwährende Tätigkeit den Zusammenhang
lockern und die Böschung ihres Haltes berauben. In erster Linie ist
daher bei Untersuchung solcher Rutschterrains, die bedeutenden Schaden
anrichten können, die Aufgabe gestellt, die Wasserverhältnisse kennen zu
lernen und Quellstränge oder oberflächliche Wasseradern, die in den
Schutt versickern, abzufangen und fortzuleiten.
Abb. 230: Gestauchte Diluvialablagerungen aus den Kiesgruben bei Ronnewitz (nach Credner)
Bisweilen führt künstliche Belastung eines wenig widerstandsfähigen
Untergrundes zu Gleitbewegungen. Wir wollen aus der Menge bekannter
Tatsachen nur ein Beispiel kurz hervorheben. Am Ufer des Zuger Sees
breitet sich unter einer 2—4 m mächtigen Sand- und Kiesschicht eine
20—30 in dicke Lage weichen Schlammsandes aus. Diese wurde durch die
Last der darüber aufgebauten Häuser geradezu in den See hinausgepreßt
und hat sich dort nachweisbar auch in bedeutender Entfernung vom Ufer
abgelagert. Lange Zeit drohte die Gefahr einer Rutschung, die endlich am
5. Juli 1887 ohne eine besondere Veranlassung eintrat. In zwei Absätzen
wurden ungefähr 150.000 cbm Land mit vielen Häusern und 11 Menschen in
den See versenkt. Daß solche Bewegungen im losen Schwemmland auch durch
Erdbeben veranlaßt werden, wurde schon im Vorhergehenden bemerkt (S.
310).
Auf eigentümliche Gleitungserscheinungen loser Massen, die z. B. in den
jungen Ablagerungen des Wiener Beckens in ausgezeichneter Weise
Vorkommen, hat namentlich Th. Fuchs hingewiesen. Sehr allgemein findet
man, daß Schichten von Ton, Sand, Geröll, die ursprünglich horizontal
übereinander abgesetzt waren, nun in der verwickeltsten, aber in ganz
kleinem Maßstab auftretenden Weise gefaltet, geknickt, zerrissen und
gleichsam ineinander geknetet sind. Dabei ist nicht die geringste Spur
einer tektonischen Veränderung im großen, eines Eingreifens gebirgs-
bildender Kräfte zu bemerken. Die geschilderte Erscheinung zeigt sich
vielfach in Tonen, die mit den Blocklehmablagerungen der diluvialen
Eiszeit in Verbindung stehen. Diese Beobachtung wurde zuerst von
englischen Geologen gemacht und hat sich später auch in Norddeutschland
bestätigt gefunden. An vielen Stellen sieht man die unter dem diluvialen
Blocklehm liegenden Ablagerungen verschiedener Art, namentlich die
diluvialen „Bändertone", sonderbar gestaucht und gefaltet (s. Abbildung
230, oben). Dis häufig auftretende Verbindung solcher Stauchungen mit
den diluvialen Ablagerungen hat zu der Annahme geführt, daß sie durch
den Druck der sich vorschiebenden Eismassen erzeugt worden sei. Diese
Deutung ist in den Fällen, in denen die Vergesellschaftung beider
Erscheinungen deutlich wahrnehmbar ist, eine ziemlich wahrscheinliche;
dagegen ist es unrichtig, jede derartige Stauchung auf Gletscherwirkung
zurückzuführen. So hat Penck aus dem bayrischen Gebirge
eine Anzahl von Punkten geschildert, an denen Fältelungen von Tonen ganz
unabhängig von glazialen Erscheinungen auftreten. Ebenso wenig stehen
die sehr auffallenden Verschiebungen dieser Art im Wiener Becken mit
Glazialerscheinungen in Zusammenhang.
Offenbar kann eine Fältelung loser Massen unter sehr verschiedenen
äußeren Verhältnissen vor sich gehen, wenn ein gelinder Druck oder Schub
lange Zeit hindurch gleichmäßig und anhaltend auf sie einwirkt, und sehr
häufig besteht diese Kraft lediglich in dem eigenen Gewicht dieser
Ablagerungen, die an Gehängen und Böschungen, kurz überall, wo ein
seitliches Ausweichen möglich ist, in eine sehr langsame, fließende und
wälzende Bewegung geraten.
Ende des Textes p.469 / 495-OCR Version
[Hier
weiter im Text: Wildbäche]
[*1]: In Momenten der Todesgefahr wird die Zeitdauer
sehr überschätzt; Heim hat die Zeitangaben dadurch kontrolliert, daß er
versuchte, wie lange Zeit man braucht, um die Strecken in raschem Laufe
zurückzulegen, die einzelne der Geretteten während des Hauptsturzes
durchmessen zu haben angaben, und kam dadurch zur Annahme einer Dauer
von 10 bis höchstens 25 Sekunden.
Geschichte der Geowissenschaften
Allgemeine Geologie
Massenbewegungen:
Bergrutsch,
Schweiz, Rossiberg (Beche, 1852)
Block-Rutschungen (Beudant, 1844)
Gravitationale Rutschungen (Lyell, 1872)
Gravitationale Massenbewegungen
(Beche, 1852)
►
Text: Massenbewegungen (Neumayr, 1897)
►
Bergsturz Elm, 11. 9. 1881. (Nach Heim)
►
Gestauchte Diluvialablagerungen (Credner)
Text: Schlammlawinen (Neumayr, 1897)
Bergsturz St. Gervais (Neumayr, 1897)
Wildbachverbauung (Neumayr & Uhlig, 1897)
Biografien
der Autoren
M.Neumayr
/ V.Uhlig (1897)
Neumayr & Uhlig (1897) in der OCR-Version, korrigiert mit Anmerkungen im
Download-Zentrum
Skript Allgemeine Geologie (span.)
Erosion
Störungen, Täler und Geomorphologie (esp.)
Geologie in Bildern (spanisch)
Erosion an der Küste von Atacama
Geröll Strand
Felsen Küste
Geschichte der Geowissenschaften
Geschichte der Geowissenschaften
Geschichte Allgemeine Geologie
Geschichte Paläontologie
Geschichte Tektonik
Geschichte Lagerstättenkunde
Inhalt Bergbau-Geschichte
Biografien
der Autoren
Wörterbuch, Begriffe
Ausdrücklich ist jegliche, nicht
von den Autoren genehmigte, Neuveröffentlichung untersagt. Dies gilt
speziell für elektronische Publikationen:
Nutzungsrichtlinien
© Wolfgang Griem (2019) - Todos los derechos reservados - alle Rechte vorbehalten