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Geschichte der Geowissenschaften

Transgression und Regression (Richthofen, 1886)

Historische Arbeiten

W. Griem 2007 - 2020

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Erosion bei Trans- oder Regression, Richthofen, 1886

Von Richthofen veröffentlichte Zeichnungen und Texte über die Strandverschiebungen, also Transgressionen oder Regressionen. Speziell über die Wirkung der Wellen in einem Umfeld der Regression oder Transgression.

 

Titel der Abbildung: Strandverschiebungen (Richthofen, 1886).
Foto/Scan - Digital bearbeitet: (W.Griem, 2014, 2019); Aus: Ferdinand Freiherr von Richthofen - Abbildungen 73 und 74, 15 Seite 354. Original-Größe der Abbildungen: 6 cm x 3cm.

Richthofen, F. (1886): Führer Für Forschungsreisen. - 745 Seiten, Berlin; Verlag Robert Oppenheim. [Sammlung W. Griem]

Die Abbildungen wurden mit einem HP Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der Grau­stufenverbesserung, Elimination von Flecken sowie Ver­besserung der Schärfe wurden bei der Bildbearbeitung angewandt (W. Griem 2020).

Die Texte wurden mit einer Pentax Kr-3 II digi­talisiert und später mit ABBYY (v.14) ver­arbeitet und zur OCR vor­bereitet. Fraktur­schriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in ASCII umge­wandelt; "normale" Schrift­arten mit ABBYY Fine Reader Version 14.
Die Texte wurden den heutigen Recht­schreib­regeln teil­weise ange­passt, es wurden erläuternde und orien­tierende Zeilen ein­gefügt (W. Griem, 2020).

Text Original de Richthofen:
§160 und §161: p. 352 - 357



E. Wirkung der Brandungswelle bei negativer Strandverschiebung. (Rückzug des Meeres)

[§160] Wenn die relative Änderung im Niveau von Land und Meer an einer felsigen Steilküste in der Weise geschieht, daß die Küstenlinie um einen gewissen Betrag seewärts zurückschreitet und das Land sich zu heben scheint, so wird der frühere Strand trocken gelegt und die Bildung eines neuen in der tieferen Isohypse des nunmehrigen Meeresstandes sofort in Angriff genommen. Fände das Zurückweichen des Meeres in einem durch lange Perioden bezeichneten Rhythmus statt, so würde bei jedem Stillstand der Bewegung eine Küstenterrasse mit Strand gebildet werden; aber da die Breite einer derartigen Strandterrasse ein bestimmtes, nicht bedeutendes Maß nicht überschreiten kann (§ 153), so würde in jedem einzelnen Niveau eine örtliche und zeitliche Grenze für die mechanische Wirkung der Brandungswellen gegeben sein; wenigstens würden nach Überschreitung derselben die Kraftwirkungen sehr gering sein. Wir würden also, von der Küste nach dem Inneren emporsteigend, eine Reihe von Terrassen über einander angeordnet finden, und dieselben würden eine für jeden Fall verschiedene Maximalbreite nicht überschreiten, häufig aber dieselbe nicht erreichen. Solche Brandungsterrassen oder „gehobene Strandterrassen“, meist von mangelhafter Ausbildung, sind an den Küsten von Norwegen, Grönland, Spitzbergen, an der Westküste von Patagonien und in anderen Gegenden bekannt. Sie finden sich besonders an solchen Fjordküsten, welche aus sehr hartem Gestein bestehen, zuweilen vereinzelt, öfters in mehrfacher Wiederholung übereinander. Ihr Fehlen kann nicht als Beweis dafür, daß sie früher nicht vorhanden gewesen seien, angenommen werden, da sie in weichem Gestein überall, und auch in härterem bei feuchtem, heißem Klima leicht zerstört worden sein können. Untersuchungen über das Maß dieser Zerstörung unter einer gewissen Summe äußerer Bedingungen dürften von Interesse sein.

Verschieden von der beschriebenen muß die äußere Gestaltung dort sein, wo der Rückzug des Meeres allmählich und sehr langsam, aber gleichmäßig geschehen ist. An solchen Stellen muß die dem ursprünglichen höchsten Stand entsprechende Terrasse ebenso allmählich tiefer herab gelegt werden. Das Resultat würde demjenigen entsprechen, welches man an dem emporgetauchten Teil desselben Abfalles durch Abnehmen einer je nach Neigungswinkel und Gesteinshärte an Mächtigkeit wechselnden Oberflächenschale erhalten würde; eine wesentliche Änderung in demjenigen Teil des Abfalls, welcher von Anfang an über das Meer hervorragte, würde in Folge dieser Vorgänge nicht verursacht werden.

Noch unbedeutender sind die Änderungen, welche die dem Rückzug des Meeres folgende Arbeit der Brandungswelle an einer Flachküste auszuüben vermag.




F. Bildung von Abrasionsflächen in Folge der Brandungswirkung bei positiver Strandlinienverschiebung. [Transgression]

[§161] 
Wenn auf S. 336 die hohe Bedeutung der Brandungswelle in der Umgestaltung der Erdoberfläche hervorgehoben wurde, so kann dieselbe doch in ihrer ganzen Tragweite erst erkannt werden, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt der Verschiebung der Angriffslinien gegen das Innere der Festländer hin betrachtet. In Folge derselben hat dieses Agens wahrscheinlich in vergangenen Zeitaltern der Erdgeschichte gewaltigere Änderungen hervorgebracht, als irgend eine andere, von außen auf den Planeten wirkende Kraft. [*1] Beobachtungen über seine Wirksamkeit in der Gegenwart liegen wegen besonderer damit verbundener Schwierigkeiten sehr spärlich vor. Um so mehr ist die Aufmerksamkeit Derjenigen, welchen sich Gelegenheit dazu bietet, auf diesen Gegenstand zu richten. Fortgesetzte Untersuchung an einem Ort wird, wenn der Gesichtspunkt klar erfaßt ist eben so gut zu brauchbaren Resultaten führen, als das vergleichende Zusammentragen von Beobachtungen an verschiedenen Stellen.

Wenn bei stationärer Lage einer Gebirgsküste die Brandungswelle das äußerste erreichbare Arbeitsmaß vollzogen hat, wenn also der Brandungsstrand eine solche Breite erlangt hat, daß die höchsten Wellen eine zerstörende Kraft nicht mehr ausüben können, so wird die Zerstörungsarbeit sofort wieder beginnen, wenn durch Sinken des Landes oder Ansteigen des Meeresspiegels die Küste landeinwärts verlegt wird. Der Vorgang ist derselbe wie der zuvor (§§ 153, 154) beschriebene. Geschieht die Verschiebung der Strandlinie so langsam, daß in jeder einzelnen Höhe die Brandungswelle das größtmögliche Maße ihrer Arbeit getan hat ehe ein weiteres Vorrücken stattfindet, so wird sich eine schwachgeneigte ebenmäßige Fläche bilden, deren oberer, bei Ebbe frei gelegter Rand den Strand bildet und daher allein sichtbar ist, während der gesamte übrige Teil unter dem Meer gelegen ist. Nehmen wir an, die Figur 73  dargestellte Küste bestehe aus homogenem Gestein, dessen Oberfläche unter gleichbleibendem Neigungswinkel von einer Gebirgshöhe nach der Meerestiefe hinabziehe, und es seien an derselben während einer langen Periode die Art und die Intensität der dynamischen Agentien des Meeres unverändert, während die Meeresfläche langsam ansteige. Stellt d t den Abfall des Gebirges gegen die Meerestiefe dar, so wird die erste Wirkung der Brandung zwischen den Gezeiten-Niveaus m und m1 in der Bildung einer Terrasse a a1 bestehen, wobei die Gesteinsmasse a a1 b durch Nachstürzen entfernt wird. Steigt nun das Meer um einen Betrag an, welcher die Tidenhöhen nach m2 und m3 verlegt, und bleibt es in dieser hinreichende Zeit bestehen, so wird die Terrasse c c1 herausgearbeitet werden, während das Stück b c c1 d allmählich hinabstürzt, zertrümmert und zerstört wird. Ebenso wird in einer dritten Periode ee1 abgeschliffen werden und dee1f herabstürzen u. s. f. Nimmt man die Zeitintervalle unendlich klein, d. h. das Hinabsinken des Landes in das Meer kontinuierlich an, so wird die Schlifffläche a n entstehen und der ganze Berg adff1 n abgetragen worden sein. In ähnlicher Weise kann ein großes Faltungsgebirge über einer gewissen hindurchgelegten Fläche verschwinden, und diese nun den Meeresgrund bilden, wie in Figur 74 im Querschnitt dargestellt ist, wo die punktierten Linien den durch die Brandungswirkung abgetragenen Teil, und die Linie a n die Abrasionsfläche andeutet. In dieser Weise kann die einfache Strandterrasse durch Fortrücken des gleichen Vorganges eine Ausdehnung von tausenden von Quadratkilometern erreichen. Selbstverständlich wird der Stirnwall nur stellenweis und in verhältnismäßig geringer Höhe so steile Formen bilden, wie in den Linien a1 b, c1 d, e1 f (Figur 73) dargestellt sind, indem die Erosion durch fließendes Wasser die Tendenz hat, sanftere Neigungen, wie a1 b1 c1 d1 e1 f1 zu schaffen, und dies je nach den obwaltenden Umständen mit größerer oder geringerer Vollkommenheit erreicht.

Profil nach der Erosionstätigkeit des Meeres (Richthofen, 1886)
Profil nach der Erosionstätigkeit des Meeres, ein bischen komplizierter (Richthofen, 1886)

Die Gestalt der Abrasionsfläche kann vielfache Abweichungen von der Regelmäßigkeit erfahren. Geschieht bei homogenem Gestein und gleichmäßigem ursprünglichem Abfall das Vorrücken des Meeres so schnell, daß die Brandung in keinem Niveau ihr Werk vollenden kann, so wird die ansteigende Fläche steiler sein und einen schief aufsteigenden Schnitt durch die anfangs vorhanden gewesene Felsmasse darstellen. Wechselt das Maße des Vorrückens in einzelnen Zeiträumen, so werden, bei Voraussetzung von homogenem Gestein, sanftgeneigte und steilere Teile der neu gebildeten Fläche in Zonen mit einander abwechseln.

Diese Fläche, welche einzig und allein bei positiver Verschiebung der Strandlinie gebildet werden kann, bezeichnen wir als Abrasionsfläche, den Vorgang selbst als Abrasion.

Die Abrasionsfläche kann eine Breite von vielen Kilometern erreichen; der Fall ist denkbar und aus den früheren Zeitaltern der Erde nachweisbar, daß sie zu hunderten von Kilometern, selbst, wenn auch in Absätzen und in streckenweis vielfach modifizierter Gestalt, zu tausenden derselben anwächst.

Die gewaltige Wirkung der Abrasion beruht auf dem Umstand, daß sie alle Formgebilde welche über dem Brandungsniveau aufragen, zu vernichten strebt, und daß sie dieses Ziel in außerordentlich vollkommener Weise zu erreichen vermag. Ob die vorrückende Brandungswelle eine nur wenige Meter aufragende Festlandsstelle angreife, oder ein mehrere Kilometer hohes Gebirge erfasse — im einen wie im anderen Fall wird, falls die Zeit zur Ausbildung der Brandungsterrasse und zur Forträumung des Schuttes ausreicht, die gleiche, sanft aufsteigende Fläche geschaffen. Das ganze Gebirge kann bis zu dem Niveau dieser Fläche vollkommen abgetragen werden und als solches verschwinden. Und wenn hinter dem ersten Gebirge ein zweites und ein drittes aufsteigt, so kann an der Stelle von ihnen allen eine einfache Fläche mit geringer Abdachung geschaffen werden. Folgt auf eine dem Strand parallele Zone harter Gesteine eine solche von mürberen, leicht zerstörbaren Sandsteinen, so vermag die vorschreitende Brandungswelle in diesen nicht tiefer hinab zu arbeiten, als in jenen; und wenn dahinter wieder festes Gestein folgt, so kann durch dasselbe die Fläche ebenmäßig fortsetzen. Das allgemeine und ununterbrochene Ansteigen der Abrasionsfläche ist also unabhängig von einem Härtewechsel des Gesteins, welcher in einer der Strandlinie parallelen Richtung stattfindet. Es werden in so angeordnetem weichem Gestein keine Vertiefungen geschaffen.

Dieses Verhältnis ist in Figur 75 dargestellt, wo a n die Projektion der Abrasionsfläche auf der vertikalen Durchschnittsebene ist. Mit p p ist gefaltetes paläozoisches Gebirge, mit r s aufgelagerter roter Sandstein, mit m m1 eine Absenkungsverwerfung bezeichnet. Es ist klar, daß die Linien nm und m1 0 eine alte Abrasionsfläche anzeigen, auf welcher die Sandsteine transgredierend lagern, und daß durch eine spätere Gebirgsstörung die Sandsteine bei m1 in eine tiefe Lage gekommen sind. Wenn nun die neue Abrasionsfläche von a bis rs vorgedrungen ist, so kann sie zwar in dem Material, welches sie hier trifft, leichter und schneller arbeiten als zuvor; aber sie kann sich nicht nach der Tiefe in dasselbe eingraben, sondern setzt ihren Gang, wenn der Brandungswelle bei jedem Meeresstand hinreichend Zeit gelassen ist, gleichmäßig fort bis nach n.

[*1]:   Es sind vielfach Ansichten über die Frage ausgewechselt worden, ob in der Gegenwart eine größere Abtragung der Festlandsmassen durch die äußeren Agentien (Verwitterung. Lösung, Wirkung fließender Gewässer) oder durch das Meer geschieht, und es sind zu Gunsten der ersteren gewichtige Argumente geltend gemacht worden. Insoweit dieselben auf Berechnung fortgeführter Quantitäten beruhen, gestatten sie keinen Vergleich, da selbst der roheste Versuch einer quantitativen Schätzung der Zerstörung durch das Meer noch nicht gemacht werden konnte. Aber auch wenn die subaerische Abtragung jetzt wirklich grösser sein sollte, kann diese Schlußfolgerung keineswegs auf vergangene Zeiten übertragen werden. Denn die Jetztzeit zeichnet sich durch relativen Stillstand in den Strandverschiebungen aus, welche die erste Bedingung für die volle Wirksamkeit der Kräfte des bewegten Meeres sind. Die Größe des Phänomens ergibt sich erst aus der geologischen Betrachtung der Abrasionsflächen und der Gebilde transgredierender Ablagerung.



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Publiziert: 21.12.2019 / Aktualisiert: 21.12.2019, 13.9.2020
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