Historische Arbeiten
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Erdbeben
Foto/Scan - Digital Bearbeitet: (W.Griem, 2007, 2019); De: E. A Roßmäßler - "Seismometer, Erdbebenmesser"; Abbildung 36, Seite 153. Originalgröße der Abbildung: 6 cm X 4 cm.
Roßmäßler, E.A. (1863): Die Geschichte der Erde. -
408, 87 Abbildungen; Verlag Leuckart, Breslau.
[Sammlung W. Griem]
Text von Roßmäßler, Erdbeben:
"Man kann die Erdbeben gewissermaßen den krampfhaften
Zuckungen eines von tausend Schlingen gefesselten Ungeheuers vergleichen
[. . .] während in den Vulkanen der Vulkanismus uns als ein Riese im
Kerker erscheint": Ein typisches Beispiel
eines "Roßmäßler-Textes" -
Plutonische Erdbeben: Erdbeben ohne
vulkanische Beteiligung.
Vulkanische Beben: Erdbeben mit vulkanischer Aktivität.
.... die Quelle derselben [Erdbeben] also nur tief im Erdinnern liegen könne ..
Die Abbildungen wurden mit einem HP
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OCR vorbereitet. Frakturschriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in
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Die Texte wurden den heutigen Rechtschreibregeln teilweise angepasst, es
wurden erläuternde und orientierende Zeilen eingefügt (W. Griem, 2020).
Vulkan ein Google Earth, kmz:
Ätna
Vesuv
Mount St. Helen
Roßmäßler (1863) veröffentlicht ein frühes Gerät zur
Erdbebenmessung, das gerät von Cacciatore wurde ab 1818 in Palermo zur
Messung benutzt . Ein Seismometer oder Erdbebenmesser, eine runde Schale
mit 8 Öffnungen und unterliegenden Auffang-Gefäßen. Oben wurde
Quecksilber eingeführt und bei kleinen Erschütterungen floss das
Quecksilber in die Gefäße. So konnte ungefähr die Stärke aber auch die
Richtung der Erdbeben-Stöße ermittelt werden. [Hier
der Text über den Erdbebenmesser]
Im Text beschreibt Roßmäßler in seinem
unverwechselbarem Stil, der nun nicht unbedingt zum Verständnis des
Inhalts beiträgt sehr genau und sehr präzise die damaligen Beobachtungen
über Erdbeben. Er gibt eine Vielzahl von Beispielen an, aber auch
verschiedene Hypothesen der Erdbebenbildung. Auch zitiert Roßmäßler
andere Wissenschaftler, welches zu dieser Zeit nicht immer so üblich
war.
Der Text ist recht interessant, da er eigentlich mit den meisten
Falsch-Informationen über Erdbeben aufräumt, und fast alle falschen
Korrelationen als diese erkennt.
Interessant ist, dass die Periodizität der Erbebenereignisse
erwähnt und analysiert wird.
Original Text von Roßmäßler, 1863:
Erdbeben
p. 150
Wenn wir bisher in den Vulkanen und den Quellen von Gasen, Wasser und
Schlamm die vulkanische Tätigkeit an gewisse Punkte gefesselt sahen, so
finden wir sie in den Erdbeben — offenbar einer der Tätigkeit der
Vulkane innig verwandten Erscheinung — in weiterer Erstreckung sich
ausbreiten. Man kann die Erdbeben gewissermaßen den krampfhaften
Zuckungen eines von tausend Schlingen gefesselten Ungeheuers vergleichen,
welche die Bande zu sprengen drohen und bald diesen bald jenen Ring auch
wirklich aufreißen; während in den Vulkanen der Vulkanismus uns als ein
Riese im Kerker erscheint, der in ohnmächtiger Wut den aufgewühlten
Boden seines Kerkers aus Löchern in der sicheren Mauer herausschleudert.
Beide Bilder vervollständigen sich durch das Gebrüll erboster Wut,
welches bei Erdbeben wie bei vulkanischen Eruptionen Alles mit bebendem
Ersetzen erfüllt.
Wenngleich Furcht und Schrecken die schlechtesten Beobachter sind, so
haben sie doch darin Recht, Erdbeben und vulkanische Ausbrüche für nahe
Verwandte zu halten. In der Tat sind beide in vielen Erscheinungen
einander so ähnlich, daß man leicht geneigt sein kann, beide in der
Hauptsache für eines und dasselbe zu erklären und. ihre Verschiedenheit
nur in die Form ihrer Wirksamkeit zu setzen. Nur der Umstand kann diese
Auffassung in etwas zurückhalten, daß zuweilen auch in solchen Gegenden
umfangreichere Erdbeben vorgekommen sind, wo weit und breit kein tätiger
Vulkan zu finden ist. Solche Erdbeben nennt einer unserer ersten
Geologen, Professor C. F. Naumann in Leipzig, plutonische, diejenigen
aber vulkanische, welche entweder in räumlicher oder sogar in tätiger
Verbindung mit Vulkanen stehen. Wir werden nachher sehen, daß wir die in
keinem nachweisbaren oder auch nur zu vermutenden Zusammenhang mit einem
tätigen Vulkane stehenden Erdbeben, wenigstens zum Teil mit O. Volger [Georg
Heinrich Otto Volger, *1822 - +1897; deutscher Naturforscher und Geologe
-
siehe Autorenliste] in
anderer Weise als durch den Vulkanismus deuten können. Allein auch die
vulkanischen Erdbeben, d. h. die vor einem stattfindenden Ausbruche
eines Vulkanes sich ausbreitenden Erderschütterungen erlangen zuweilen
eine so außerordentlich weite Erstreckung von ihrem Ausgangspunkte, dem
Vulkane aus, daß dieselben, die vulkanischen Erdbeben, nicht mehr für
eine Wirkung des Vulkanausbruches gelten können, sondern beide für
gleichzeitige an verschiedenen Orten statt findende Wirkungen derselben
Ursache angesehen werden müssen. Demnach können wir es ganz gut mit den
Gesetzen des Vulkanismus in Einklang bringen, daß er Erdbeben bewirken
kann, mit denen kein vulkanischer Ausbruch verbunden ist. Man hat aber
zuweilen eine Gleichzeitigkeit zwischen Plutonischen Erdbeben und
Ausbrüchen fern von deren Bereiche liegender Vulkane beobachtet, so daß
an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Erdbeben und vulkanischen
Eruptionen auch in diesen Fällen geglaubt werden kann.
Unabhängig von den Vulkanen gibt es auch sonst keine Gegend der Erde,
kein Klima, keine Bodenbeschaffenheit, welche frei von Erdbeben wären.
Dies wird als ein Beweis dafür angesehen, daß die Beschaffenheit der
oberen Erdschichten und der in der Atmosphäre liegenden Kräfte ohne
Einfluß auf die Entstehung der Erdbeben seien, die Quelle derselben also
nur tief im Erdinnern liegen könne.
Wie kein Gebiet der Erde ganz frei von Erdbeben ist, so ist auch sicher
kein Tag, wo nicht an irgend einer Stelle die Erde erbebte und wir
dürfen daher — wenn auch nur mit ausdrücklicher Verwahrung gegen jedes
tiefere Auffassen der Vergleichung — sagen, daß die vulkanische
Tätigkeit unter der Erdrinde ebenso pulsiert, wie die Blutwellen in den
Adern unseres Körpers.
Die Wirkungsart und Stärke der Erdbeben zeigt sich in hohem Grade
verschieden und schwankt zwischen dem leisesten, fast nur dem geübten
Sinne wahrnehmbaren unterirdischen Grollen und den heftigsten nur mit
Meereswogen vergleichbaren Schwankungen der Erdoberfläche.
Man hat die auf dem Meeresspiegel sich fühlbar machenden Erdbeben mit
dem unnötigen besonderen Namen Meeres- oder Wasserbeben belegt, unnötig,
weil das Meer ein Teil der Erdoberfläche ist und ein Meeresbeben nicht
anders gedacht werden kann, denn als eine im Wasser fortgepflanzte
Erbebung der darunter liegenden festen Erdrinde. Die zuweilen mächtige
Aufregung des Meeresspiegels, selbst über sehr bedeutenden Tiefen, ist
aber ein Beweis von der in den Erdbeben sich äußernden furchtbaren
Gewalt den Vulkanismus. Am 7. New. 1837 erhielt ein Wallfischfahrer in
der Nähe der Insel Chiloe so bedeutende Stöße durch das
erschütterte Meer, daß er seine Masten verlor, und anfänglich glaubte
gestrandet zu sein, während doch das Schiff sich über einer bedeutenden
Meerestiefe befand.
Die Wirkungen der Erdbeben zeigen sich entweder in senkrechter, auf -
und abwärts gerichteter mehr stoßweise erscheinender Bewegung, oder in
wellenförmiger oder endlich in kreisender Bewegung.
Die senkrechte oder succussorische Bewegung steht wahrscheinlich der
eruptiven Tätigkeit der Vulkane am nächsten und ist vielleicht durch
Detonation furchtbar gespannter Gasmengen bedingt, welche eine wirkliche
Eruption machen würden, wenn über ihnen die Erdrinde nicht zu dick oder
sonst für diese Detonationen zu widerstandskräftig wäre. Bei dem großen
Erdbeben Kalabriens im J. 1783 sah man die höheren Teile der Granitberge
deutlich auf- und niederspringen; ja bei dem Erdbeben in Chile
am 7. Nov. 1837 wurde ein 30 Fuß tief im Erdboden steckender
und mit Eisenstangen befestigter Mastbaum herausgestoßen, so daß ein
rundes Loch im Boden dessen ehemaligen Stand bezeichnete.
Die wellenförmige oder undulatorische Bewegung der Erdbeben ist die
häufigste und mag wohl nach denselben physikalischen Gesetzen
stattfinden, wie die Wellenbewegung einer Wasserfläche. Die Höhe der
Wellen berge der Bewegung bedingt die Gefährlichkeit solcher Erdbeben,
weil wenn diese bedeutend ist, alle senkrechten Gegenstände, z. B.
Gebäude, aus dieser Lage in eine geneigte gebracht werden, was ihren
Einsturz veranlaßt, abgesehen von der damit notwendig verbundenen
Zerreißung des Gemäuers, welches ja nicht biegsam ist, um den
Undulationen folgen zu können. Die Erscheinung dieser Wellenbewegung des
bebenden Erdbodens hat man an mehreren Orten, namentlich an Waldungen
wahrgenommen, welche dabei einem von dem Winde bewegten Getreidefelde
glichen. Der Mensch glaubt auf dem schwankenden Verdeck eines
sturmbewegten Schiffes zu stehen.
Die verheerendste von allen, aber glücklicherweise auch die seltenste,
ist die kreisende oder wirbelnde, rotatorische, Bewegung der Erdbeben.
Als Belege für dieselbe führt man die horizontale Umwendung von Gemäuern
ohne Einsturz, die Verdrehung vorher geradliniger Baumalleen und
Ackerbreiten an.
Oft kommen, wie sich das vermuten läßt, diese drei verschiedenen
Bewegungen zugleich und neben einander vor, so daß man dann die Bewegung
des Erdbebens eine verworrene oder kreuzende genannt hat, wobei
natürlich die geognostische Beschaffenheit der Erdoberfläche einen
Einfluss ausübt.
Vereinigen sich die verschiedenen Bewegungen des Erdbebens, so wird
jenes furchtbare Chaos hervorgebracht, welches namentlich an Küstenorten
alle Vorstellungen übersteigt.
So wild und dämonisch das Walten des Vulkanismus in den Erdbeben ist, so
hat ihm dennoch die Wissenschaft die Regeln ihres Verfahrens angepaßt;
sie hat Mittel ersonnen, durch welche die Erdbeben selbst in der Sprache
der Wissenschaft reden müssen. Wie die Thermometer und Barometer die
Wärme und den Druck der Luft messen, so messen die Seismometer,
Erdbebenmesser, die Richtung und Stärke der Erdbeben.
Die Abbildung, Fig. 36., stellt den seit 1818 in Palermo angewendeten
Seismometer von Cacciatore dar. Auf 8 feststehenden Bechern ruht,
ebenfalls fest und unverrückbar, ein Gefäß, welches einer umgekehrten
Untertasse mit einem hohen Fußrande gleicht, so daß der Rand eine ganz
flache Schale bildet. In diesem Rande befindet sich, genau über jedem
Becher ein Loch, alle 8 genau in einer Horizontalebene, und von jedem
geht eine Rinne herab nach der Öffnung des untenstehenden Bechers.
Dieses Instrument wird an einem vor zufälligen Erschütterungen
gesicherten Ort so aufgestellt, daß die 8 Öffnungen den acht
Weltgegenden Nord, Nordost, Ost, Südost u. s. w. entsprechen und dann
die obere flache Schale q bis nahe an den unteren Rand der 8 Löcher mit
Quecksilber gefüllt. Jede Erderschütterurg muß nun das Quecksilber aus
einem der Löcher ausfließen machen. Dadurch wird nicht nur die Richtung,
sondern, durch die Menge des in einem der 8 Becher ausgeflossenen
Quecksilbers, auch die Stärke der Erderschütterung angezeigt.
Obgleich man viel von Vorzeichen der Erdbeben gesprochen hat und noch
spricht, so sind doch unbefangene Beobachter zu der Überzeugung
gekommen, daß es außer den anfangs oft nur leisen ersten Erzitterungen
und unterirdischen Tönen durchaus kein nur einigermaßen sicheres Merkmal
eines bevorstehenden Erdbebens gebe und der Natur der Sache nach, auch
nicht geben könne. Auch die Schwankungen des Barometers haben eben so
oft wieder als für einen Zusammenhang mit der Atmosphäre dieser rein
inneren Angelegenheit unseres Planeten gesprochen. Selbst jene leise
grollenden Vorboten kündigen das Erdbeben nicht immer an, sondern es
tritt dieses zuweilen sogleich in seiner fürchterlichen Größe auf.
Dennoch würde es eine Art Vorzeichen der Erdbeben geben, wenn Volgers
Deutung des Visper-Erdbebens 1855 richtig sein sollte. Dieser erklärt
das genannte und ein 1755 ebendaselbst stattgehabtes Erdbeben durch ein
Nachsinken der oberen Schichten der Erdrinde in Folge der
Quellenauswaschung in der Tiefe und macht aufmerksam darauf, das jenen
beiden Erdbeben ungewöhnlich große Schmelzwasser- und Regenfluten
vorausgegangen waren, welche jene Auswaschung oder richtiger die
Aussegung der bereits vorhandenen Klüften befördert haben sollten. In
diesem Sinne wären allerdings an solchen Örtlichkeiten, ungewöhnliche
Wasserfluten wenigstens ein Grund, die Wiederkehr eines Erdbebens zu
vermuten.
Das Getöse oder überhaupt die auf das Ohr wirkenden Erscheinungen der
Erbeben zeigen sich sehr mannigfaltig und werden mit andern ähnlichen
Tönen verschieden verglichen. Bald gleicht das Getöse einem
unterirdischen Trommelwirbeln, bald klingt es wie ein Rasseln von Ketten
oder wie das Rollen des Donners oder wie das Erdröhnen des
Straßenpflasters unter der Wucht schwer beladener Wagen; bald auch hört
man eine Reihe einzelner krachender Schläge oder es klingt, als wenn in
Kellergewölben Glas oder Porzellan zertrümmert würde und zuweilen ahmt
es das Brausen des Sturmwindes nach.
Alle diese verschiedenen Töne werden oft gleichzeitig über große
Strecken hin vernommen, wobei wie auch aus die Art der Töne, die
geognostische Beschaffenheit der Erdrinde einen großen Einfluß ausüben
muß. Besonders deutlich tönen sie aus tiefen Brunnen herauf, die dabei
einfach als die Schallwellen sammelnde Schallrohre wirken.
Ganz lautlose Erdbeben sind sehr selten. Man hat mehrere in
Chile beobachtet und auch der mächtige Erdstoß bei Riobamba im
Staate Ecuador am 4. Feb. 1797 war von keinem Getöse begleitet.
Wenn wir die Töne fast notwendige Begleiter der Erdbeben nennen müssen,
so sind einige andere sie begleitende Erscheinungen mehr zufälliger
Natur, z. B. Gewitter und andere elektrische Erscheinungen, heftige
Windstöße, Ausströmungen von Gasen und Dämpfen u. s. w. Häufig brechen
die Gase brennend aus dem zerrissenen Boden hervor. Dagegen scheint an
der Magnetnadel keine mit Sicherheit den Erdbeben zuzuschreibende
Schwankung statt zu finden.
Bemerkenswert ist die kaum zu erklärende Tatsache, die gleichwohl aus
sehr zahlreichen Vergleichungen hervorgeht, daß im Herbst und Winter die
meisten Erdbeben Vorkommen.
Die Dauer und Wiederholung der Erdbeben sind sehr verschieden.
Gewöhnlich schwankt die erstere zwischen einigen Sekunden und mehreren
Minuten und zuweilen waren wenige Augenblicke hinreichend, um Städte in
Trümmerhaufen zu verwandeln und Tausende unter den Trümmern zu begraben.
Das Erdbeben des Jahres 1693 zerstörte im Nu die Stadt Catania
und 49 andere Ortschaften, wobei 60.000 Menschen das Leben verloren. Der
benachbarte Ätna sah diesem furchtbaren Zerstörungswerke ruhig zu, ohne
sich durch einen Ausbruch zu beteiligen. Am 26. Mai 1812
verwandelte ein einziger 5—6 Sekunden dauernder Stoß die schöne Stadt
Caracas in einen Haufen von Leichen und Trümmern.
Sehr oft wiederholen sich solche Parorismen in längeren oder kürzeren
Pausen mehr oder weniger oft, was einen Zeitraum von Monaten einnehmen
kann. Humboldt macht darauf aufmerksam, daß solche lang andauernde
Wiederholungen von Erdstößen ihm nur aus solchen Erdstrichen bekannt
seien, die fern von allen Vulkanen liegen. Es ist dies nicht
unerklärlich, denn der Mangel der Vulkane, dieser ausgleichenden
Sicherheitsventile, muß veranlassen, daß auf andere Weise und erst nach
langen Kämpfen die Ausgleichung durch Erdbeben erfolge.
Ebenso unbegründet wie die geglaubten Vorzeichen ist der Glaube an eine
regelmäßige Umlaufszeit, Periodizität der Erdbeben, die man in Canada
auf 25, und für die Umgegend und von Copiapó in Chili auf 23 Jahre
annehmen wollte, da letztere Stadt 1773, 1796 und 1819 von Erdbeben
heimgesucht wurde. Es läßt sich für eine solche regelmäßige Wiederkehr
gar kein nur irgend haltbarer Erklärungsgrund angeben.
Dagegen läßt sich in manchen Fällen eine Gleichzeitigkeit,
Synchronismus, der Erdbeben nicht bestreiten, welche umso
bemerkenswerter ist, wenn diese zu gleicher Zeit an weit aus einander
liegenden Punkten der Erde stattfinden und dabei ihre Richtung von dem
einen Punkte auf den anderen weist, wie es mit dem am 16. Nov.
1827 in Columbien und gleichzeitig 1900 Meilen weit in Sibirien statt
gehabten Erdbeben der Fall war. In ähnlicher Weise wie wir es
bei den Vulkanen kennen lernten, und, in der Gleichzeitigkeit
entgegengesetztem Sinne, nicht minder für den Zusammenhang entlegener
Erdbebenherde sprechend, ist hier noch die Abwechslung der Erdbeben
zwischen zwei weit gelegenen Orten zu erwähnen, so daß dieselben an dem
einen ruhen, während sie an dem anderen in Tätigkeit sind.
Neben diesen zeitlichen Verschiedenheiten sind nun noch die räumlichen
oder die Richtungsverhältnisse der Erdbeben zu erwähnen. In dieser
Hinsicht lasten sich namentlich zwei Arten unterscheiden. Bei der einen
geht die Wirkung des Erdbebens wie die Wellenkreise um einen in das
Wasser geworfenen Stein von einem Mittelpunkte — wo sie am stärksten ist
— nach allen Seiten hin aus und wird nach allen Seiten hin schwächer,
auch an manchen Stellen den Erschütterungskreises durch Bergketten und
andere Verhältnisse der Erdrinde unterbrochen. Das große Erdbeben in
Kalabrien hatte seinen Mittelpunkt bei der Stadt Oppido, von wo es sich
noch mit fast gleicher Stärke in einem Kreise von 11 geographischen
Meilen Durchmesser erstreckte, innerhalb besten alle Ortschaften
gänzlich zerstört wurden. Jenseits dieses Kreises nahm die Wirkung
allmählich ab und das Erdbeben wurde sogar durch eine Granitkette nicht
weit von Oppido gehemmt, so daß eigentlich bloß ein Halbkreis, dessen
Mittelpunkt Oppido war, getroffen wurde.
Zuweilen hat man bemerkt, daß der Mittelpunkt während des Erdbebens sich
in einer geraden Linie verändert, wodurch ein Übergang von dem zentralen
Erdbeben zu dem linearen oder longitudinalen gebildet wird.
Letztere, wo die Erschütterung in einer mehr oder weniger geraden und
langen Linie oft über eine weite Strecke verbreitet, treffen die in
dieser Linie liegenden Orte nicht gleichzeitig sondern nacheinander. Es
läßt sich ihre Bewegung mit den Wellenbewegungen eines schlaff
gespannten Seiles vergleichen. In dem Umstande, daß die linienförmig
verlaufenden Erdbeben in der Regel dem Fuße langer Bergketten oder der
Meeresküste folgenfinden wir eine natürliche Übereinstimmung mit dem
gleichen Verhalten der meisten Vulkanreihen und der früher einmal
gelegentlich gemachten Bemerkung, daß die großen Kontinente durch
vulkanische Hebung empor geschoben worden seien. (Vergl. S. 38.)
Überhaupt zeigt sich in der Fortpflanzung der Erdbeben eine große
Abhängigkeit von der Oberflächengestaltung und von dem inneren Gefüge
der Erde, wodurch es erklärt wird, daß zuweilen die Wahrnehmbarkeit
eines Erdbebens von dem Mittelpunkte desselben aus eine Strecke weit
unterbrochen ist und dann wieder auftritt. In solchen Fällen finden sich
in der Strecke, wo man das Erdbeben nicht wahrnimmt, solche Verhältnisse
der oberen Erdschichten, wodurch die Leitung der Schallwellen bis an die
Oberfläche verhindert wird, während an weiter vom Centrum abliegenden
Orten dies« Leitungsfähigkeit wieder vorhanden ist.
Der Umfang der Erdbeben ist bald sehr beschränkt, bald sehr bedeutend.
Die beiden umfangreichsten zentralen Erdbeben sind, seitdem man
dergleichen gewaltige Ereignisse mit wissenschaftlicher Kaltblütigkeit
zu beobachten angefangen hat, das vom 1. Nov. 1755, durch welches
Lissabon zerstört wurde, und das Erdbeben vom 7. Nov. 1837, welches sich
über einen bedeutenden Teil des großen Ozeans verbreitete. Ersteres
erstreckte seine Wirkungen fast auf ganz Europa, das nördliche Afrika
und sogar bis nach den kleinen Antillen und den Küstenländern von
Nordamerika, so daß sein Erschütterungskreis auf ungefähr 700,000 geogr.
Meilen oder mehr als den 13. Teil der ganzen Erdoberfläche geschätzt
wird. Während der heftigsten Erschütterung wurde dagegen der Vesuv
plötzlich ruhig und dessen Rauchsäule schlug in den Krater zurück. Die
heißen Quellen von Teplitz erlitten dabei eine plötzliche Trübung,
versteckten dann auf kurze Zeit, um dann durch Eisenoxid gerötet mit
einer solchen Fülle wieder hervorzubrechen, daß sie einen Teil der Stadt
überschwemmten. Dieselbe Färbung erfuhren die Quellen von Bristol und
wurden dadurch lange Zeit unbrauchbar. Während des Erdbebens am 7. Nov.
1837, welches gewöhnlich nach Valdivia in Chile benannt wird, betrug an
mehreren Inseln das plötzliche Steigen und Fallen des Meeres 30 Fuß, und
bei dem von Lissabon sogar das Steigen allein 40 Fuß über den Flutstand.
Bevor wir nach diesen Betrachtungen der verschiedenen
Tätigkeitsäußerungen nach dem Vulkanismus zu dessen bleibenden
Wirkungen, zu den Hebungen und Senkungen einzelner Teile der
Erdoberfläche — der Aufgabe dieses Abschnittes — übergehen, schalte ich
hier eine Stelle aus Hoffmann (hinterl. Werke II. S. 336) ein, welche
meine Leser und Leserinnen recht geflissentlich auf den Einfluß
aufmerksam machen soll, den die Beschaffenheit der Erdrinde auf die
Erscheinungen der Erdbeben ausübt:
„Alle festen Körper sind im Allgemeinen fähig, durch mechanische
Einwirkungen erschüttert und in Schwingungen verseht zu werden; die Art
der Fortpflanzung dieser Schwingungen hängt aber von der eigentümlichen
Natur und Anordnung ihrer Teilchen ab; so auch die Schwingungen der
Erdbeben von der Beschaffenheit und Struktur der Gebirgsarten, welche in
so mannichfaltigen Verbindungen die Erdrinde zusammensetzen. In
ununterbrochen gleichförmigen Gesteinen, deren Teilchen unter sich fest
zusammenhängen, werden diese Schwingungen gleichförmig sich ausbreiten,
wie die Wellen auf einem in Erschütterung versetzten Wasserspiegel. Wo
aber Trennung in Platten und Tafeln, wo Schichtung und Zerklüftung sich
einstellen, wo endlich ganze Gebirgsmassen nur von locker und
unregelmäßig durcheinander gemengten Bruchstücken gebildet werden, da
muß sich auch die regelmäßige Fortpflanzung der Erschütterungen auf das
Manch- faltigste abändern, und ein und dasselbe über einen größeren Teil
der Erdoberfläche verbreitete Erdbeben wird daher an verschiedenen
Punkten die verschiedensten Wirkungen ausüben."
Indem wir nun zu den Umgestaltungen der Erdoberfläche durch den
Vulkanismus übergehen, so wissen wir schon im Voraus daß dieser hierin
die beiden anderen Mächte, das Wasser und das organische Leben, weit
übertrifft und wir haben ihn sogar bei den Werken der Korallenpolypen
als unterstützenden Vermittler kennen gelernt.
Geschichte der Geowissenschaften
Allgemeine Geologie
Hilfsmittel und Personen
Kompass (Ludwig, 1861)
Kompass (Richthofen, 1886)
Kompass (Neumayr, 1897)
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Seismometer (Roßmäßler, 1863)
Seismometer (Siegmund, 1877)
Brookes Sonde (Krümmel, 1886)
Maschine von Sigbee (Krümmel,
1886)
Tiefe Gravimetrie (Krümmel, 1886)
Forschungsschiff "Gazelle" (Krümmel,
1886)
Hilfsmittel im Labor (Ludwig,
1861)
Waage
Archimedes (Schoedler, 1863)
Mikroskop (Schoedler, 1863)
Polarisations-Mikroskop (Credner, 1891)
Spektrometer
(Neumayr & Uhlig, 1897)
Goniometer Wollaston (Bauer, 1904)
Goniometer, 1 Kreis (Bauer, 1904)
Prospektion (Treptow,
1900)
Wünschelrute (Treptow, 1900)
Topographen (Ludwig, 1861)
Biografien
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E. A.
Roßmäßler 1863
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Erdbeben in Atacama
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Burmeister (1859)
1859 Johnstone- Henwood
Treutler 1882 (Chile)
Treutler: Erdbeben in Tres Puntas
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1922 Rojas Carrasco
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